Unsere Namen, unser Selbst?
In der Regel müssen wir uns mit dem abfinden, was die Eltern sich für uns ausgedacht haben. Die echte Welt zumindest will das so. Wer‘s produziert, darf‘s auch benennen. Das gilt für IKEA ebenso wie für die Elternschaft. Und steht der Name erst mal im Pass, ist es gar nicht so leicht, ihn wieder abzuschütteln. Sicher, manche wollen das auch gar nicht. Manch anderen wird es sehr leicht gemacht, weil sie einen akzeptablen Zweitnamen mit sich führen oder sich das Wort im Pass für allerlei Spitznamen eignet. Wer ein bisschen pfeifen oder zeichnen kann, hat vielleicht die Chance, sich einen Künstlernamen zuzulegen. Und dann gibt es noch die, die leider aufgeschmissen sind, wenn die Eigenbezeichnung ihnen nicht gefällt. Kein Zweit- oder Spitzname in Sicht, kein Talent, das irgendeinder Kunst entspricht, Ohren zu und durch. Augen möglichst auch. Hilft ja nix. Denn für den letzten Ausweg, die neue Taufe und eigene Umbenennung, brauchen deutsche Behörden einen triftigeren Grund als Missfallen.
In der anderen Welt jedoch, in der digitalen, wo wir mitunter nur als Trugbild unserer selbst erscheinen, oder war‘s die Idealfigur, ist das was anderes. Plötzlich sind wir in der Lage, uns selbst mit einem Namen zu versehen, den wir aus eigener Sicht verdienen. Einer, der aus der Innensicht so richtig gut zu uns und unsrem Dasein passt. Klar, da macht Susanne sich in der Regel nicht zur Barbara. Denn der Onlinename muss in der Regel nicht gerufen werden. Das wär mit süßerhase75 ja auch peinlich.
Tun wird zum Sein
Da gibt es jene, die ihr Tun zu ihrem Sein machen. Den Regierungssprecher, verzeiht, @RegSprecher, oder den Tim, der kocht. Mälzer heißt der auch. Sie tun mit diesem Namen meist nichts, das zu ihrem Tun nicht passt. Kein Regierungssprecher, der davon twittert, dass er den Müll herunterträgt. Manch einer nutzt den Spitznamen seiner Jugend, der eine verdrehte, verkürzte oder verzierte Version der tatsächlichen Bezeichnung ist, oder eine Weiterführung von etwas ganz Dämlichen, das er mal gesagt, gedacht oder gemacht hat. Dann gibt es viele, die das Wortspiel mögen. Zum einen das mit dem eigenen Namen – ist ja auch einfach für DieKaiserin und JoKannEs. Wortspiele brauchen aber gar nicht unbedingt eine Beziehung zum eigenen Selbst, wenn man sich Kornröschen oder Wunderbärchen nennt.
Was uns das über ihr Selbst verrät, können wir nur ahnen. Vorurteile dazu haben wir aber bestimmt. Nicht nur ein paar. Manch einer zeigt durch seine Namensgebung auch das Fansein für so allerlei. Für den bevorzugten Gitarristen, den besten Romanautor oder die heiß geliebte historische Gestalt, Odysseus oder Sissi etwa. Und so geht’s in dieser Sparte vom Booklover über Katzenfreundin63 bis zum Dr. Skivago. Gut, was dieser nun wirklich mag, ist nicht unbedingt geklärt. Lesen auf der Piste vielleicht. Und dass er eigentlich auch in die Kategorie der Wortspieler gehört, geschenkt.
Ganz wir Selbst
Und dann, nicht zuletzt, bleiben die aus einer fiktionalen Welt. Die, die gleichzeitig nichts und alles mit uns zu tun haben. Die Namen, die aus einer Geschichte stammen, die wir mal geschrieben haben. Phantasienamen, die wir uns selbst ausdenken. Missverständnisse, die einfach viel zu schön klingen, um sie wieder zu vergessen. Worte, die wir in einer anderen Sprache mal gehört und nicht verstanden haben, deren Klang uns aber bis heute noch berührt. Besonders beliebt bei jenen, die es lieben, online was zu kommentieren, scheinen jene Namen, die Aufschluss geben sollen über das, was sie sind. Wir finden einen Weltbürger, den Schrauber, aber auch einfach nur ein Individuum. Ob der Hans Wurst in diese Kategorie gehört, die Frage stellt sich schon.
Manfred und der Hobbit
Machen wir das alles freiwillig? Und genießen wir das Namensspiel? Ganz oft tun wir uns das doch gar nicht selber an. Da treibt das Medium ein Spiel mit uns. Versuch mal, eine E-Mail-Adresse oder einen Twitter-Account auf deinen Namen zu bekommen. Ohne eine 369 dran, ohne Unter- oder Zwischenstrich. Aussichtslos. Da ist dann plötzlich ganz egal, was unsere Eltern sich ausgedacht haben, wie gnädig oder phantasievoll sie gewesen sind. Für Manfred ebenso wie für jenen, der wirklich Hobbit heißt.