Wo sind die schlechten Texte?
Es ist die neue, kleine Sucht. Und seit der Entdeckung des BlaBlaMeters bleibt sie unerfüllt: Die Suche nach dem richtig schlechten Text.
Journalisten und Redakteure, Poeten und Schriftsteller – alle können ihre tägliche Schreibarbeit dem Wortorakel ausliefern. Und bekommen binnen Sekunden ausgespuckt, was es von ihren Texten hält. Die 1,0 ist dabei offensichtlich so etwas wie eine magische Marke. Kaum ein Text so schlecht, dass er die erreicht, geschweige denn überschreitet. Aber welche Texte schaffen das?
Hochwertige Journalistentexte liegen zwischen 0,1 und 0,3, erklärt das BlaBlaMeter. Ein kurzer Test irgendwo zwischen Spiegel, FAZ und Süddeutsche zeigt: Stimmt. Keiner reißt hier weiter aus als 0,25 – heißt laut Hersteller „erste Hinweise auf ,Bullshit-Deutsch‘“. Aber keine Sorge: „noch auf akzeptablem Niveau“. Also weiter, geradewegs zum Boulevard. Doch auch hier: Sackgasse. Bunte, Bild und Co. halten nicht, was man erhofft. Im Gegenteil. Hier findet sich sogar mehrfach der immens niedrige Wert von 0,03 und damit „keine oder nur sehr geringe Hinweise auf ,Bullshit‘-Deutsch“. Was ist los mit euch?
Vielleicht spricht der erfolgreiche Boulevard aber auch für eine Umkehrung der Spielregeln. Na gut, haste so gewollt – dann kommt gleich die ganze Glocke. Aber nee, der Schiller, lupenreine Sprache. 0,03. Nix zu machen. Fontane oder Heine helfen auch nicht weiter. Dass allerdings unser heiliger Friedrich auf ähnlich hohem Niveau wie die Klatschpresse schreibt, überrascht dann doch für einen Moment. Und fast noch größer die Überraschung, wer in Sachen des niedrigsten Wertes die Nase, Verzeihung, den Schnabel vorne hat: Das einzige von Wortspektrum mit 0 getestete Schriftwerk ist „Alle meine Entchen“ (alle vier Strophen). Es wird Zeit, das mal wieder zu trällern.
Aber vor dem Anwärmen der Stimmbänder bleibt noch immer die Mission Schlechter Text. Keine Ergebnisse bei: Maschine mit Blindtext füttern (trotz zigfacher Wiederholung der gleichen Sätze ein beachtlicher Wert von 0,14), hohle Werbesprüche eingeben (einfach zu kurz, 20 Wörter müssen‘s schon sein) oder frech einen Liedtext der Beatles reinkopieren („BlaBlaMeter konnte diesen Text leider nicht als deutschen Fliesstext identifizieren!“).
Vielleicht doch fieses PR-Sprech? Die ersten Pressemitteilungen aus der Welt von Auto und Kosmetik kratzen noch nicht mal an der 0,3. Schnell der Wechsel in die Politik! Hier ist man Worthülsen schließlich gewohnt. Und ja, die Werte gehen nach oben. Doch mehr als 0,49 ist nicht drin. Kurz davor, das Match aufzugeben und einzugestehen, dass es im Land der Dichter und Denker eben einfach keine wirklich schlechten Texte gibt, fällt wieder ein: Das BlaBlaMeter selbst erklärte die häufig schlechte Bewertung wissenschaftlicher Texte. Und siehe da: Das Vorwort eines Unileitfadens schafft es doch tatsächlich auf eine beachtliche 0,83. Sogar das BlaBlaMeter schimpft: „Es stinkt gewaltig nach heißer Luft!“ Aber wo bleibt die 1,0?
Wir wagen einen letzten Versuch. Drei ganz lange Sätze, möglichst viele Worte. Umfassender Nominalstil, vier Subjekte in einem Wort zur unerträglichen Einheit gebracht. Und siehe da! Das BlaBlaMeter spuckt es endlich aus: „Diesen Text tut sich ein Leser wohl nicht freiwillig an, aber uns haben Sie beeindruckt.“ Eine hervorragende 1,14. Alles muss man selber machen. Sogar die schlechten Texte.