Von 0 auf 1,14 in 3 Stunden

Wo sind die schlechten Texte?

Es ist die neue, kleine Sucht. Und seit der Entdeckung des BlaBlaMeters bleibt sie unerfüllt: Die Suche nach dem richtig schlechten Text.

Journalisten und Redakteure, Poeten und Schriftsteller – alle können ihre tägliche Schreibarbeit dem Wortorakel ausliefern. Und bekommen binnen Sekunden ausgespuckt, was es von ihren Texten hält. Die 1,0 ist dabei offensichtlich so etwas wie eine magische Marke. Kaum ein Text so schlecht, dass er die erreicht, geschweige denn überschreitet. Aber welche Texte schaffen das?

Hochwertige Journalistentexte liegen zwischen 0,1 und 0,3, erklärt das BlaBlaMeter. Ein kurzer Test irgendwo zwischen Spiegel, FAZ und Süddeutsche zeigt: Stimmt. Keiner reißt hier weiter aus als 0,25 – heißt laut Hersteller „erste Hinweise auf ,Bullshit-Deutsch‘“. Aber keine Sorge: „noch auf akzeptablem Niveau“. Also weiter, geradewegs zum Boulevard. Doch auch hier: Sackgasse. Bunte, Bild und Co. halten nicht, was man erhofft. Im Gegenteil. Hier findet sich sogar mehrfach der immens niedrige Wert von 0,03 und damit „keine oder nur sehr geringe Hinweise auf ,Bullshit‘-Deutsch“. Was ist los mit euch?

Vielleicht spricht der erfolgreiche Boulevard aber auch für eine Umkehrung der Spielregeln. Na gut, haste so gewollt – dann kommt gleich die ganze Glocke. Aber nee, der Schiller, lupenreine Sprache. 0,03. Nix zu machen. Fontane oder Heine helfen auch nicht weiter. Dass allerdings unser heiliger Friedrich auf ähnlich hohem Niveau wie die Klatschpresse schreibt, überrascht dann doch für einen Moment. Und fast noch größer die Überraschung, wer in Sachen des niedrigsten Wertes die Nase, Verzeihung, den Schnabel vorne hat: Das einzige von Wortspektrum mit 0 getestete Schriftwerk ist „Alle meine Entchen“ (alle vier Strophen). Es wird Zeit, das mal wieder zu trällern.

Aber vor dem Anwärmen der Stimmbänder bleibt noch immer die Mission Schlechter Text. Keine Ergebnisse bei: Maschine mit Blindtext füttern (trotz zigfacher Wiederholung der gleichen Sätze ein beachtlicher Wert von 0,14), hohle Werbesprüche eingeben (einfach zu kurz, 20 Wörter müssen‘s schon sein) oder frech einen Liedtext der Beatles reinkopieren („BlaBlaMeter konnte diesen Text leider nicht als deutschen Fliesstext identifizieren!“).

Vielleicht doch fieses PR-Sprech? Die ersten Pressemitteilungen aus der Welt von Auto und Kosmetik kratzen noch nicht mal an der 0,3. Schnell der Wechsel in die Politik! Hier ist man Worthülsen schließlich gewohnt. Und ja, die Werte gehen nach oben. Doch mehr als 0,49 ist nicht drin. Kurz davor, das Match aufzugeben und einzugestehen, dass es im Land der Dichter und Denker eben einfach keine wirklich schlechten Texte gibt, fällt wieder ein: Das BlaBlaMeter selbst erklärte die häufig schlechte Bewertung wissenschaftlicher Texte. Und siehe da: Das Vorwort eines Unileitfadens schafft es doch tatsächlich auf eine beachtliche 0,83. Sogar das BlaBlaMeter schimpft: „Es stinkt gewaltig nach heißer Luft!“ Aber wo bleibt die 1,0?

Wir wagen einen letzten Versuch. Drei ganz lange Sätze, möglichst viele Worte. Umfassender Nominalstil, vier Subjekte in einem Wort zur unerträglichen Einheit gebracht. Und siehe da! Das BlaBlaMeter spuckt es endlich aus: „Diesen Text tut sich ein Leser wohl nicht freiwillig an, aber uns haben Sie beeindruckt.“ Eine hervorragende 1,14. Alles muss man selber machen. Sogar die schlechten Texte.

Ein bisschen unperfekt

Auch wenn Herman Cohen anderer Meinung ist: Wir brauchen das Buchstäbliche!

Jemand könne doch schließlich nicht buchstäblich aus der Haut fahren, meint in den sehr perfekten Unperfekten von Tom Rachman der sympathisch-pendantische Chefkorrektor Cohen. Und wenn dies doch jemandem gelinge, sei es der nächste Aufmacher. Doch die Meckerei hat damit noch kein Ende: Nicht nutzen reicht Herman Cohen nicht. Löschen will er das Wort.

Auch wenn in der Übersetzung sicher einiges verloren geht und man (um der Pedanterie von Herman genüge zu tun) eigentlich jetzt noch das englische Original dazu legen müsste, lässt sich doch auch mit etwas weniger Genauigkeit feststellen: Verstehen kann man das schon. Schließlich geizen auch unsere Medien nicht mit der unnützen Verwendung und wahrscheinlich kann man in mindestens 95% der Fälle getrost auf die 12 Buchstaben verzichten.

Aber da ist dann noch dieses aber… Denn zu einer wunderbaren, feinen Kleinigkeit brauchen wir das Buchstäbliche: Um klar zu machen, dass wir bei der Benutzung von Redensarten und Sprichwörtern tatsächlich das meinen, was wir sagen. Was ist denn, wenn jemand wirklich mal die Brücke abreißt, über die er gerade gelaufen ist (so wie Alec Guiness buchstäblich die Brücke am Kwai hinter sich abgerissen hat)? Oder wenn ein anderer seine Vorhänge am liebsten bei IKEA kauft (und damit buchstäblich hinter schwedischen Gardinen sitzt)?? Und da gibt es doch auch noch die Hühner, die ein chinesischer Junge buchstäblich zu Tode erschreckt hat (Spiegel). Und die dann nicht mit dem Schrecken davon gekommen sind. Vor allem nicht buchstäblich.

Lieber Herman Cohen, wir brauchen das Buchstäbliche! Für die wenigen Gelegenheiten, in denen ein „wirklich“ oder „tatsächlich“ einfach zu lahm klingt. Und keine Sorge, wir haben die Unperfekten nicht buchstäblich verschlungen. Denn das wäre ja wirklich schade drum.

Ab ins Körbchen!

Haustiere vs. Duden

Die Versuchung war gestern ziemlich groß. Mal über was anderes Worte zu machen als über Worte. Und das verführende Ereignis – den Launch von My Social Petwork – wenigstens ein klitzekleines bisschen zu kommentieren. Herrjeh, so viel könnte man darüber schreiben. So viele Kommentare dazu abgeben. Aber in sprachlicher Hinsicht? Na ja. Aufregen über das Sprachspiel im Titel? Och nö. Dass es dort „Wau“ heißt statt „Gefällt mir“? Geschenkt. Dass hiermit auch die sprachliche Vermenschlichung von Wuffi und Co. mal wieder einen neuen Höhepunkt erreicht? Bisserl langweilig.

Da bliebe höchstens noch, sich über die Feinheiten der Kommunikation mit Tieren auszulassen. Ist sowieso viel interessanter als selber zu sprechen, aber nicht sein eigenes Gesicht dafür hinzuhalten sondern die wehrlose Hundeschnauze. Und: Mit Blick auf die familiäre, haustierliche Kommunikation hätte dies einiges Potenzial. Denn hier sind etwa Wenn-dann-Konstruktionen im Mensch-Hund-Gespräch mittlerweile ausgeschlossen. Zeigen erstaunlicherweise keine Wirkung. Aber für Wortspektrum heißt es wohl auch in diesem Fall: Wenn du den Knochen nicht sofort wieder hinlegst, dann…

Also doch Umorientierung. Und was sprang da sofort in den Blick: Der gute alte Duden-Freund. „Vorsicht beim Schreiben im Internet: Jeder hat einen Ruf zu verlieren.“ heißt es in der neuesten Pressemitteilung. Oh je. Schädigt es meinem Ruf, über das Sprechen mit Tieren zu schreiben? Scheint nicht. Zumindest wenn ich kein Foto dazu einstelle, das zeigt, wie ich mich mit meinem Hauskater hemmungslos betrinke. Und vor allem: Wenn ich mich ganz brav und ordentlich an die deutsche Rechtschreibung halte. Denn schlussendlich ist dies noch weniger der Berichterstattung wert: Die Veröffentlichung erweist sich als doch sehr plumpe Werbung für eine Rechtschreibprüfungssoftware.

Und da kann man echt nur noch sagen: Husch, husch! Ab ins Körbchen!

Eins und eins macht eins?

Wenn Wörter zusammenfinden

Hallo Frollegen! Möchte man munter rufen. Wollen wir uns zu einem Brunch im Motel verabreden? Das kann doch nicht abseits der Netiquette sein. Oder seid ihr Hacktivisten?

Wo Brangelina ihre Kinder durch die Weltgeschichte schleifen, Bennifer schon lange kein Thema mehr sind und Justifer einen neuen Hype ausrufen, steht doch nun wirklich mal die Frage im Raum: Wie sinnvoll ist es, Wörter zu fusionieren? Einerseits: Wir sparen Zeit, Tinte und Papier. Wir gewinnen neue Wörter hinzu. Und können uns ab und zu über diese Schöpfungen amüsieren. Bromance macht‘s vor – hach, gibt es ein schöneres Wort für eine innige Männerfreundschaft?

Dann aber andererseits: Brauchen wir sie überhaupt? Und viel wichtiger: Verbessern die neu gewonnenen Wörter die Qualität des Sprachschatzes oder vermiesen sie ihn eher? Denn, nicht nur die eigenen Ohren gruselt‘s, sprach da gerade doch wirklich einer noch von seinem Schlepptop. Und viel schlimmer noch, greift die Konstruktion von Kofferwörtern (so der Fachausdruck, wie Wikipedia natürlich weiß) doch gerade in der Friseurszunft in besorgniserregendem Ausmaß um sich. Wer ist noch nicht an einem Laden vorbei gelaufen, der sich Atmosphair, HaarCore oder Bellhair nannte?

Auch, wenn diese vielleicht nicht im allerstrengsten Sinne die Kofferwörtergefolgschaft antreten, kann doch nicht bezweifelt werden, dass die Wortfusionierung hier beängstigende Züge erreicht hat. Warum das vor allem die Friseure betrifft? Da lässt sich nur auf Herdentrieb oder eine Namensfindungskampagne der Innung tippen.

Doch so lange wir Pestern (oder Ossach?) genossen haben, uns über Weihnukka amüsieren und mit einem gewissen Interesse verfolgen, wie TomKat ihrer Wenig-Jährigen ein neues Paar High Heels kaufen – vielleicht sollten wir die guten Wörter einsammeln und vor den miesen tapfer die Augen verschließen.

Schneider vs. Facebook

Wer lehrt uns das gute Schreiben?

Wir Schreiber sind Profis, ohne Frage. Spätestens, seit wir uns an Wolf Schneider gehängt haben. Die Substantivitis haben wir mit ihm auskuriert, mit Adjektiven treffen wir besser als Amor mit seinen Pfeilen und der weiße Schimmel ist schon lange davongeritten. Doch gutes Schreiben, so schien es lang, kannte zwar viele selbsternannte, aber nur wenige wirklich respektierte Päpste.

Nun taucht eine neue Institution fürs Schönschreiben auf. Das Schreiben im Internet macht uns nicht nur klüger. Die These ist: Es macht uns auch besser schreiben. Weil wir drauf aus sind, viel zu gefallen, schreiben wir so gut, wie wir nur können. Feilen jede Formulierung rund, und seien es nur 140 Zeichen. Denn der witzige, der emotionale, der treffende, der nie genau so formulierte Text ist die Währung, mit der wir Re-Tweets, Gefällt mirs oder Follower kaufen. DIe Interpunktion wird notfalls live korrigiert, denn fehlerfrei gehört schon auch dazu.

Manch einer äußert Zweifel an der Schreibbildung durchs Internet. Wer 140 Zeichen kann, ist mit einer Seite vielleicht schon überfordert – mit 140 sowieso. Die schöne Sprache selbst ist kein Garant für Klicks und Likes, das unentdeckte Katzenbild, der irre Link tun hier ihr Übriges dazu. Und man möchte erst gar nicht anfangen, die vielen Tweets und Posts und Blogeinträge vorzustellen, die der Sprache und uns selbst nicht sehr viel Gutes tun. Die Kommentare erst! Wird auf Klarnamen verzichtet, wird‘s auf Schreibkunst meistens auch. Und unsere Jugend ist durch chatten, twittern und simsen sprachlich sowieso schon recht versaut.

3,6 Billionen Wörter werden jeden Tag ins Internet getippt, auf Facebook und Twitter, in Mails und Blogs. Da könnte man meinen, dass allein die Menge und Häufigkeit des Schreibens die Schreiber besser macht. Übung und Meister und so. Gleichzeitig wird jeder zum Eigenverlag. Und in meiner persönlichen Sache schreibe ich lieber nicht schlecht. Beim Brief an Oma haben wir uns früher zwar auch alle Mühe gegeben, die Anekdote mit dem Hund und den Hausgaben anschaulich, verständlich und kurzweilig aufzubereiten. Aber sie war sicher nachsichtiger als unsere Folgeschar.

Denn ja: Das Internet, es dient der Schreibkultur! Wer es schafft, in 140 Zeichen eine klare Botschaft zu vermitteln und dabei auch noch witzig (anrührend, spannend, ironisch…) zu sein, der kann kein schlechter Texter sein. Dass jeder Re-Tweet eine Anfeuerung ist, versteht sich von selbst. Wem es gelingt, durch wenige Zeilen Freunde und Freunde von Freunden vom Gefallen zu überzeugen, ist oft wohl nicht minder talentiert. Gleiches gilt fürs „lange Wort“: Wer einen Blog mit treuer Stammleserschaft betreibt, findet die richtigen Themen und bereitet sie richtig auf. Das kann natürlich auch ein ausgefeiltes Bratenrezept mit ansprechenden Bildern sein – und trifft daher sicher nicht immer den (Wort-)Geschmack eines anspruchsvollen Essayisten. Doch bringt das Internet eine wunderbare Vielfalt fürs geschriebene Wort. Blogs und Onlinemagazine sind ein Teil davon. Plattformen, wo der Schreiber sich auch abseits formalisierter Redaktionsjobs ausprobieren kann.

Und Monsieur Schneider? Ist davon längst noch nicht bedroht. Denn jedes durchdacht gesetzte Wort ist ein Geschenk für unsere Sprache. Und für den Schreibpapst dann sicher auch.

Die Wortmesse

Remmidemmi heute in Halle 3

Gerade abgestiegen oder frisch verlobt? Kein Problem, wir haben eine Messe für Sie. Egal ob Pferde oder Hochzeiten. Im Charme der Mehrzweckhalle können Sie sich mit Gleichgesinnten unterhalten und von geübten Präsentatoren in die Welt von Zuchthengsten und Baiserkleidern entführen lassen. Experten für Gaumenschmaus in fester und flüssiger Form dürfen sogar nicht nur anschauen, anfassen oder anprobieren – sondern auch riechen, knabbern, schlürfen.

Doch wo gehe ich hin, wenn ich mir neue Worte anschauen will? Wenn ich die Raritäten unserer Sprache erleben möchte? Oder eine grandiose Auswahl internationaler Spitzenprodukte? Wo ist die Wortmesse?

Und nö, Buchmesse, die zählt nicht. Sie wäre die Kreuzfahrtedition unter den Reisemessen, das Treffen der Massenhochzeiter auf der Wedding Fair. Kommunikationsmesse? Ehrlich nicht. Die Handwerksmesse interessiert mich als Baum schließlich auch nur am Rande.

Nein, wir suchen die Messe, die dem Wort huldigt. In Halle Eins finden Sie die Aussteller besonders schöner Worte. Jeder darf drei mit- und dem interessierten Publikum nahebringen. Wir können Sie aussprechen oder aussprechen lassen, zuhören beim Klang der einzelnen Buchstaben und des Gesamtkunstwerks. Die Typografie bewundern und bestaunen. Halle Zwei widmet sich den Neuigkeiten unter den Worten. An den Ständen arbeiten meist jugendliche Wortspezialisten, die uns alten Hasen erklären, was sich denn nun wirklich hinter dem Begriff „Yolo“ verbirgt – und wie er auszusprechen und einzusetzen ist. In Halle Drei hingegen verkehrt sich das Bild. Während wir von Stand zu Stand gehen, lernen wir die älteren Wortgenerationen kennen, vom Aussterben bedroht und besonders schützenswert. Die Messe – natürlich auch eine Lobbyveranstaltung für bedrohte Wortkultur. Fehlen darf keinesfalls die abendliche Diskussionsveranstaltung zum Thema „Remmidemmi oder einfach mal chillen – wohin geht die deutsche Sprache?“ Die internationale Halle Vier schließlich widmet sich den Spezialiäten aus aller Welt. Wo die Weinmesse das Beste von den Hängen Argentiniens oder Südafrikas bietet, steht auf der Wortmesse das Word of the year der American Dialect Society (2020 übrigens: Covid) neben der Palabra del año der Fundación del Español Urgente (2019 waren es hier Emojis…).

Nach mindestens zwei Messetagen gehen auch wir Wortarbeiter nach der Messe frisch inspiriert zurück an die Tastatur. Und haben bestimmt ein paar neue Worte im Sortiment.

Salve!

Latein im Alltag

Da steht er also, mein Freund. Gerade hat er sich noch sehr heftig dagegen verwehrt, er sei rettungslos in die Barfrau verliebt. Und schon wieder schmachtet er sie an, wirft ihr verstohlene Blicke zu. Quod erat demonstrandum, höre ich mich leise sagen. Und schauere sofort. Was war denn das?

Während sich Wortspektrum vor Kurzem an dieser Stelle noch den Wörtern widmete, die vom Aussterben bedroht sind, zeigt sich: die angeblich tote Sprache ist in unserem Alltag quicklebendig. Wem ist nicht Carpe diem! durch den Kopf gegangen, als Robin Williams von uns ging? Hat da nicht neulich einer Curriculum vitae über seinen Lebenslauf geschrieben? Und In vino veritas gestöhnt, als die Gespräche bei der zweiten Flasche dann intimer wurden? Die alten Römer sind nicht so tot wie viele denken.

Aber gehen wir doch direkt mal in medias res: Gerne würde ich eine Laudatio auf die Lateinlehrerin der Jugendzeit halten, rote Lippen, schwarzes Haar, im Pencilskirt. Mens sana in corpore sano, selten traf etwas so gut zu. Sie schmetterte mit großen Enthusiasmus Veni, vidi, vici! Die Sprache ward lange nur dank ihr weitergelernt, da habt ihr mich jetzt echt in flagranti erwischt. Aber ich würde mal sagen: In dubio pro reo. Denn während wir noch das Corpus delicti betrachten, muss ich nolens volens auf den Nachfolger verweisen, wenig Haare, untersetzt, in Strickjacke. Errare humanum est, dachte ich kurz, vielleicht ist es das doch, das echte Gesicht des Lateinischen.

Und so ward nicht cum laude abgeschlossen, so viel sei noch verraten. Doch von einer toten Sprache zu reden – das habe ich ad absurdum geführt, mea culpa.

In diesem Sinne: Salve!

Kurzes Grün

Das Urlaubsgefühl beißt ins Gras

Ach ja. Genau. Seufz. Wenn es einer vermag, die Urlaubsstimmung in die Arbeitswoche zu transportieren, dann du, lieber Duden-Newsletter. So der erste Gedanke. Etwas über einen „Spaziergang durch Wälder und Wiesen“ zu lesen und über das „Schwärmen angesichts des frischen Grüns“, schien doch genau das Richtige zu sein, um die frische Erholung nicht allzu schnell wieder verblassen zu lassen.

Und die Dankbarkeit hielt an beim Studieren des „grünen Newsletters“ – schien doch sogar die Eigenwerbung für den Duden-Band „Schreiben auf Reisen“ so passend zur eigenen Stimmung. Ach ja. Genau. Seufz. Man hätte doch tatsächlich einen Reisebericht verfassen können über die Tage im Süden. Oder zumindest mal wieder Postkarten an die Lieben. Und die Urlaubsstimmung hielt an, mitten im unentschlossenen Deutschland-Wetter.

Sogar die Bedeutung des Adjektivs grün sowie Anweisungen zur Groß- und Kleinschreibung wurden gelesen, obwohl im Postfach noch die eine oder andere unbeantwortete Mail wartete. Da störte es auch gar nicht, dass das Adjektiv inzwischen „eine neue, politische Dimension erhalten“ hat. Konnte man doch auch problemlos an dem Satz „Lasst uns endlich mal wieder ins Grüne radeln“ hängen bleiben.

Doch während der Hinterkopf noch über Radtouren ins Brandenburgische sinnierte, blieben die Augen fassungslos an der Rubrik „Für Sie nachgeschlagen“ hängen. „Ins Gras beißen“, stand da, heißt umgangssprachlich „(gewaltsam) sterben“. Aber echt. Ach nö. Jetzt nicht. Wir waren doch gerade noch auf der grünen Wiese… Andere europäische Sprachen bieten ähnliches, okay, da haben wir wenigstens ein paar Takte von Queen im Ohr. Und die Ursprünge in der Antike. Ja, zugegeben, ganz uninteressant war das nicht.

Aber irgendwie schien der Urlaub auf einmal ganz weit weg zu sein.

Brimborium

Das Wort, bedroht

Dass nicht jeder den Zusammenhang zwischen einer Kassette und dem Bleistift kennt, nun gut. Dass aber Mischkassette und Bandsalat sogar vom Aussterben bedroht sein sollen, wie’s dieses Buch sagt, das mag man nicht so einfach akzeptieren. Mir wird ganz blümerant.

Gut, auch die Hitparade hören wir heute nicht mehr. Aber Sapperlott, wir Hupfdohlen brauchen diese Augensterne von Wörtern. Daran kann sich nur ein Pfennigfuchser zu schaffen gemacht haben. Oder war’s der Kurpfuscher? Eine Flitzpiepe bestimmt. Die gibt jetzt sicher Fersengeld und denkt, dass sie in diesem Tohuwabohu davonkommt. Tut so, als sei sie in der Sommerfrische. Aber ich kenn’ meine Pappenheimer! Das ist wahrlich kein Pappenstiel, dafür gibt’s mindestens eine Maulschelle.

Brimborium, Firlefanz und Kokolores, denkt ihr vielleicht. Doch potztausend, man darf die Sprache nicht so piesacken. Sicher, ich hab mit ihr ein Bratkartoffelverhältnis, schon lange. Deswegen schreib ich jetzt kurz noch eine Depesche. Danach hätte ich es gern etwas kommod. Dazu nehm’ ich dann ein Herrengedeck und die Sättigungsbeilage. Euch inkommodiert das? Jetzt seid bloß nicht so etepetete!

Tick, Trick – und Louie

Pfadfinder-Erklärungsversuche für Engländer in Frankreich.

Eigentlich fing ja alles christlich an. Da saßen wir also in der Nähe von Bordeaux mit zwei reizenden Engländern am Tisch und sprachen darüber, dass heute kaum noch einer die richtige Bedeutung christlicher Feiertage kennt. Obwohl wir sie alle fleißig feiern. Und wir dienten gerne als negatives Beispiel mit unserem Staunen über eine Pfingstprozession in Paris. Denn was machten denn da eigentlich die ganzen Pfadfinder, die hinter… Aber Moment – was heißt eigentlich Pfadfinder auf englisch?

Es gibt sie eben doch noch, diese Momente, an denen man gerade mal kein iphone in der Hand und kein Wörterbuch in der Tasche hat. Und da muss man sich anders behelfen. Und wer sind die berühmtesten Pfadfinder in der jüngeren Literaturgeschichte? Klar! Tick, Trick und Track. Und schon hätte die Geschichte weitergehen können. Aber Moment – heißen die auf englisch auch so? Wäre doch zu einfach gewesen. Auch die Formel „Donald Duck’s nephews“ half leider nicht weiter. Und ganz ehrlich: Spätestens jetzt war aus der Geschichte auch die Luft raus.

Doch die Neugier blieb. Und so ergab eine kurze Recherche auf Duckipedia: Die drei Donaldschen Neffen reisen in fast jedem Land unter einem anderen Namen. Für unser nächstes Mahl an der englischen Tafel mitten in Frankreich haben wir uns schon mal Huey, Duey und Louie notiert. Sollten wir einmal in Schweden in die Verlegenheit kommen, drei fiktive Entenneffen als Beispiel zu zitieren, sprechen wir hingegen besser von Knatte, Fnatte und Tjatte. Und die italienischen Freunde kennen die Kleinen vom Verein Fähnlein Fieselschweif unter den Namen Qui, Quo und Qua. Noch nicht genug? Dann finnische, japanische oder auch russische Versionen studieren: Hier!

Was hingegen ein Pfadfinder ist, diese als Jugendlicher in militärisch anmutender Uniform umschriebene Gattung, die gerne im Wald unterwegs ist, fragen unsere englischen Freunde sich wahrscheinlich immer noch.