Der Bus mit Nummer 7 steht schon da, die Türen fallen gerade zu. Mein Schritt wird etwas eiliger, erwartungsvoll schau ich den Fahrer durch die großen Scheiben an. Und in der Tat, der nickt ganz kurz und macht die Türen noch einmal für uns auf.
Wie aufmerksam! Der Busfahrer ist freundlicher als in der Heimatstadt.
Ich zücke das Portemonnaie, denn dass wir auch im Bus das Ticket nach Florenz lösen können, hat der Vermieter früh am Morgen erklärt. Si, si, non c’è problema. Die ersten Kurven fährt die Linie schon ohne dass der Lenker seinen Blick kurz hebt, schließlich blickt er erst auf den Schein in meiner Hand und dann mich mit fragenden Augen an. Ein Ticket kaufen, sagt er voller Unverständnis, das sei nicht möglich hier. Eine mürrischer Vortrag in ärgerlichem Tonfall folgt während sich der Bus die Serpentinen ins florentinische Tal hinunterschraubt. Über das Schwarzfahren im Allgemeinen und die Strafe, die uns im Speziellen erwarten kann. Tickets beim Fahrer kaufen ist nicht möglich. Capisce?
Wir gehen eingeschüchtert von ihm weg, setzen uns auf einen Platz. Die Situation scheint ungeklärt, bis der Bus am nächsten Halt ganz unsanft an den Rand der Straße zieht. Der Blick im mannhohen Rückspiegel lässt keinen Zweifel zu: Verlassen sollen wir das Gefährt, und zwar jetzt gleich. Mürrisch schaut er immer noch. Dass wir anderthalb Kilometer in die Tiefe gefahren sind und nun wieder bergan müssen, weiß er bestimmt. Strafe muss sein, wenigstens das.
Wie unfreundlich! Das ist mir in 15 Jahren Heimatstadt noch nicht passiert.
Doch gut, in 20 Minuten fährt das nächste Stück. Zeit für den Fußmarsch wieder rauf und einen Ticketkauf am Marktplatz-Kiosk. Brav stellen wir uns an, fragen nach dem, was uns nach Florenz hinunterbringt. Doch due biglietti, das ist hier nicht. Die Kioskfrau schüttelt den Kopf. Beim Busfahrer sollen wir sie kaufen, das versteh ich noch. Wie das aber gehen soll, viel weniger. Mit einem italienisch-spanischen Fantasiegemisch versuch’ ich zu erklären, dass wir das schon vergeblich versucht haben. Doch sie beharrt, das muss so sein. Also warten wir am Unterstand, ganz ohne Fahrschein in der Hand.
Als der nächste Bus einbiegt, hab ich die Hoffnung schon im Blick und das Geld ganz passend in der Hand. Ich frag die Busfahrerin nach Tickets für uns zwei. Sie aber schüttelt nur den Kopf. Starrt geradeaus und presst ein No tickets, don’t speak english raus. Egal, wie lang ich’s nur versuchen will, sie bleibt stur und lässt sich auf das Gespräch nicht ein.
Wie unangenehm! Man müsste die Haltung zu den Busfahrern der Heimatstadt vielleicht noch mal überdenken.
Die Wahl ist klar: Fahren ohne Ticket oder auf den Besuch bei Arno und David verzichten. Entgegen meiner Natur entscheide ich mich für ersteres und zerre den Gatten in den Bus. Dass wir nicht die einzigen sind, die schwarz unterwegs sind, beruhigt auch ihn. Das andere touristische Personal hatte nicht mehr Glück als wir. Zwanzig Schwarzfahrer in einem Gefährt, was soll ein Kontrolleur da ausrichten, beruhig’ ich mich. Das Schild, dass man ein Ticket auch beim Fahrer kaufen kann, tut sein Übriges dazu.
Wir kreisen langsam in die Stadt, der Blick ist schön und ich vergesse unsere Ungesetzlichkeit. Noch vier Stationen sind es bald, ich prüfe es auf dem kleinen Plan, dann drei, dann zwei. Hier öffnet sich die Tür frontal vor mir. Der Mann, der nun den Bus betritt, ist nicht zum Vergnügen unterwegs: Er hält den Ausweis in die Luft und fragt nach einer Fahrtberechtigung.
Dass er seriöser aussieht als die Kontrolleure in der Heimatstadt, das hilft nicht viel.
Ich steh in seinem Angesicht, Offensive brauch ich jetzt. Und lass den Wortschwall auf ihn los. Vom Versuch, Tickets zu kaufen und der Vergeblichkeit unseres Bemühns. Erzähle ich lang. Von der ersten Fahrt den Berg hinab und dem harten Aufstieg wieder zurück. Berichte ich natürlich auch. Er sagt nur: Wait. Und danach nicht mehr viel. Verlassen müssen wir mit ihm an der Endstation das bislang kostenlose Gefährt. Die anderen, auch ticketlos, schieben sich klammheimlich an uns vorbei.
Mit einem Wächter an der Seite, der nur die Heimatsprache spricht, warten wir vor der Cattedrale auf den ersten Kontrolleur. Der beschäftigt sich derweil mit zwei Schweizern neben uns. Tickets, ja, die haben sie. Doch entwertet sind die leider nicht. Ausweise werden gezückt, Personalien notiert. 60 Euro lerne ich, kostet die halbstündige Fahrt für jeden aus dem Alpenland.
Viel Hoffnung hab ich nun nicht mehr, dass diese Busfahrt viel weniger kostet als mein Flugticket in diese schöne Stadt.
Noch während er den Schweizern die Regeln in der Stadt erklärt, wendet er sich plötzlich uns dann zu. Er zeigt auf einen Kiosk, gleich ums Eck. Zwei Tickets sollen wir dort kaufen und zurückkommen, sagt er. Einfach davonstehlen, das kommt mir nur ganz kurz in den Sinn. Wir kaufen gleich vier der seltenen Scheine – die Rückfahrt muss ja auch noch sein – und gehen wir schicksalsergeben zu ihm zurück.
Die Schweizer sind schon ärmer, der Kontrolleur hat nun die Zeit für unsere schwarze Fahrt. Nimmt die Tickets aus meiner Hand. Fein säuberlich notiert er etwas drauf. Ich kann nicht sehen, was es ist. Vermute, die Zahl der Strafe für die Ungesetzlichkeit. Dann hebt er seinen Blick. Ich will es euch erklären, sagt er dann, noch einmal eine solche Fahrt, das ist nun echt nicht drin.
Weil wir sie nicht bezahlen könnten, so arm nach der italienischen Strafprozedur?
Doch was mein Auge sieht beim Blick auf seine feine Schrift, ist die Uhrzeit, die er eingezeichnet hat. Ein Ticket, sagt er dann, ist immer gültig für novanta minuti, egal wohin man fährt. Ihr könnt jetzt die beiden nutzen und noch einmal diese Zeit unterwegs mit ihnen sein. Ungläubig ist mein Blick bestimmt. Hat er uns jetzt die Fahrt geschenkt? Und mehr als eine Stunde noch dazu?
Das nächste Mal kauft ihr euch vorher ein Ticket, sagt der Kontrolleur und beachtet die zwei Schweizer nicht, die betroffen in Richtung David schlendern.
Merci vielmals, sage ich pflichtbewusst, auf jeden Fall. Wenn wir einen Busfahrer treffen, der so freundlich ist wie jene in der Heimatstadt, das denke ich nur still.