In Prag

Schon beim Grundvokabular blieb ich stecken. Eigentlich möchte ich danke sagen können, bitte, tschüss und natürlich auch hallo. Das scheint mir nicht zu viel verlangt. Doch alleine das Bedanken erforderte fünfmaliges Wiederholen des geduldigen Vermieters – und saß dann immer noch nicht wirklich. Děkují. Jedes Mal, wenn ich es sage, hört es sich ein wenig anders an. Wie ich so jemals ein Trdelník bestellen oder nach einer Lékárna fragen soll, ist mir ein Rätsel.

Zum Glück darf ich zur Begrüßung wenigstens ein „Ahoi!“ von mir geben.

Denn stumm bleiben, das ist wirklich nicht mein Ding. Die Reisegefährtin ist viel weiter schon als ich. Einen vollständigen Satz kann sie sagen, auswendig und es hört sich richtig an. Ukončete výstup a nástup, dveře se zavírají. Dass sie ihn nicht wirklich nutzen kann außer zur Erheiterung der Reisegefährtinnen, macht ihr nichts aus. Jetzt steigt schon endlich ein, die Türen schließen selbsttätig. Gelernt hat sie das vor vielen Jahren schon, auf langen U-Bahn-Fahrten durch die Stadt. Wiederholung mit dem besten Lerneffekt.

Schon auf dem Weg in die goldene Stadt wird mit der Sprache rumprobiert. Sich gefragt, wie man aus fünf Konsonanten hintereinander einen vernünftigen Laut formen kann. Und natürlich ausprobiert. Einig sind wir uns spätestens als die erste tschechische Durchsage im Zug ertönt: Die Sprache klingt sehr schön, wenn’s im Schriftbild auch ganz anderes verheißt. Doch sprechen scheint fast aussichtslos. Immer wenn wir nicht mehr weiter wissen, fällt der Satz aus der U-Bahn. Ich wiederhole zum x-ten Mal, klinge aber mit jedem Satz ein wenig so, als wollte ich etwas aus der Reinigung abholen. Nur was, ist selbst mir nicht wirklich klar. Se Wäsche wäsche wi ra i.

Doch vom Sprachversuch zurücktreten? Keinesfalls!

Dass unsere Haltestelle irgendwas mit Republiky heißt, ist gut für mich. Denn schon nach kurzer Zeit in Prag stellt unsere kleine Reisegruppe fest: Kommunizieren ist hier nicht so das Problem – denn fast jeder spricht ja englisch hier, als Touristen sind wir meist sehr schnell entlarvt – das Lesen doch viel eher schon. Oder eher das Merken des Gelesenen. Wie ich Křižíkova im Sinn behalten soll, ich weiß es nicht. Habe ich schon vergessen während ich noch auf den Namen starre. Im Kopf forme ich wieder und wieder ein Wort, das in meinem inneren Ohr ein wenig tschechisch klingt. Es mit Sicherheit aber nicht ist. Eine Station hab ich mir mal gemerkt in den Tagen hier – doch als sie von der blechernen Stimme ausgesprochen ward, hörte sie sich so anders an, dass ich nicht wirklich wusste, wo ich bin.

Wir fahren viel mit der Tram in dieser Zeit. Den Spruch vom Zurücktreten gibt es dort nicht, doch zuverlässig lotst uns die tschechischbegabte Reisegefährtin damit durch die Stadt. Eines Abends dann auch ins viel gelobte Restaurant. Auch hier hangeln wir uns am Englisch fest, doch Sprache bleibt ein Thema, spätestens beim Dessert. Der Kellner hat uns sorgsam abgefüllt, das gute Bier in den Adern stelle ich schließlich fest: Fließend tschechisch sprechen, kein Problem! Das mit den Sch-Lauten funktioniert hervorragend, wenn das Hirn sich nicht mehr ganz so ernsthaft fragt, was die Zunge da eigentlich macht. Willkommen in Scheschien. Lustiger wird das mit jedem Bier, warum, versteht sich wohl von selbst.

Dass mich nur die Reisegefährtinnen verstehen, stört mich nicht mehr.

Am vorletzten Tag ist endlich dann die Metro dran. Ob wir nur mit ihr fahren, um endlich diesen Satz zu hören, ich weiß es nicht. Wir steigen ein, erwartungsvoll drei Blicke zum Lautsprecher. Und tatsächlich kommt der Spruch. Ukončete, prosím, výstup a nástup, dveře se zavírají. Plötzlich hängt ein anderes Wort darin, das mir tatsächlich ein wenig bekannt vorkommt.

Die U-Bahn ist höflicher geworden, stellt die Reisegefährtin fest, sie fügen jetzt ein bitte ein.

Das merke ich mir jetzt auch, sage ich. Damit ich wenigstens prosím sagen kann, wenn ich aufs Trdelník zeige.