Verboten kommen wir uns vor, schon in der Tram. Sprechen über Zäune, die es vielleicht zu überwinden gilt. Mauern in unserem Weg. Sogar über die Polizei und was sie gegen uns dann vorzubringen hat. Unerlaubtes Betreten? Hausfriedensbruch? Oder gar illegale Grenzüberschreitung? Doch wir sind mutig, extra für den Stacheldraht hab ich die dicke Hose an. Die warme Jacke gegen kalten Wind. Aufhalten soll uns heute nichts. Kein scharfer Hund, der uns verjagt. Kein Wachschutz, der Vertrauen bringen soll und in Berlin so oft das Gegenteil bewirkt. Wir setzen auf die Einsamkeit.
Zu zweit verlassen sein. Das suchen wir an diesem Tag.
Schon einmal haben wir uns zusammen an einen solchen Ort gewagt, mein Freund und ich. Da war es Sommer, vier Jahre ist das her. Viel früher hatte ich darüber nachgedacht, doch einen Wachschutz gab’s auch hier. Einem, dem man nicht begegnen will, egal zu welcher Tageszeit. Also buchten wir die Tour mit zwanzig anderen dabei. Rund um den Spreepark liefen wir.
Verlassen, ja, ein bisschen war das so. Die zugewachsene Achterbahn. Das Wildwasserding ohne einen Tropfen drin. Der Tretbootschwan, unwillig noch zum Untergang. Die Dinosaurier hingegen sahen gar nicht so verlassen aus. Eher leer, wenn man von unten auf sie blickt. Aufs Foto vom Verlassensein drängte sich ständig dann ein Fremder drauf.
Mit Einsamkeit war hier nicht viel.
Nur manchmal stellte sich ein Gefühl von Ruhe ein. Die Gruppe verlassen war dafür ein Weg. Da gibt’s ein Foto, nur mein Freund ist drauf. Und der Wagen ohne Lenkrad, in dem er sitzt. Da gibt’s ein andres, nur die Dinos drauf, ein bisschen verlassen, ja, vielleicht dann doch. Ein wenig Gänsehaut, die gab’s dort auch, das Riesenrad fachte sie an. An seiner Rückseite merkten wir, dass es sich unablässig dreht, ganz langsam nur. Als hätte jeder unsichtbare Passagier das Recht auf einen langen Blick hinab. Die Phantasie riss ganz kurz aus. Der Ton, ob Wind, ob Rad, er tat sein Übriges dazu. Als käme Norman Bates ins Zimmer rein.
An diesem Tag vor Kurzem erst stellt sich die Gänsehaut viel schneller ein. Die Angst vor Stacheldraht war gar nicht falsch, leicht kommen wir trotzdem rein. Wir gehen durch das offene Tor und, ja, der Herzschlag geht ein bisschen schneller nun. Rasch die paar Stufen hoch, wir stehen im Empfangsbereich. Die Sicherheit war ganz bestimmt mal größer hier als das noch eine Botschaft war. Jetzt aber kann ein jeder rein und während mein Blick noch vorsichtig den Raum erforscht, merk ich: Wir sind nicht allein als Ausflugspersonal. Die Gruppe plaudernder Studenten schiebt sich zu fünft an uns vorbei.
Verlassenheit suchen die ganz sicher nicht.
Ein kurzer Blick zum Freund genügt, wir gehen schnell von ihnen weg. Am besten in den Keller, da ist es dunkel und geheim, die wagen sich bestimmt nicht hin. Die Wendeltreppe führt hinab, ein Blick ums Eck, da steht ein Kessel drin. Groß, mit Rost. Für Wasser oder Wärme, seit langer Zeit nicht angefasst. Es reizt mich sehr, mal einen Hahn kurz aufzudrehen. Nur, um zu schauen, was passiert. Die Hand, sie wackelt schon ein bisschen hin. Ich höre Stimmen aus dem Flur, die fröhliche Studentenschar. Blitzlicht erfüllt den kleinen Raum. Die Hand am Hahn vergisst zu drehen.
Ein kurzer Blick zum Freund genügt, wir gehen schnell von ihnen weg. Am besten in den Keller, da ist es dunkel und geheim, die wagen sich bestimmt nicht hin. Die Wendeltreppe führt hinab, ein Blick ums Eck, da steht ein Kessel drin. Groß, mit Rost. Für Wasser oder Wärme, seit langer Zeit nicht angefasst. Es reizt mich sehr, mal einen Hahn kurz aufzudrehen. Nur, um zu schauen, was passiert. Die Hand, sie wackelt schon ein bisschen hin. Ich höre Stimmen aus dem Flur, die fröhliche Studentenschar. Blitzlicht erfüllt den kleinen Raum. Die Hand am Hahn vergisst zu drehen.
Ein kleiner Kriegsrat muss jetzt sein. Der Freund hat sich gemerkt, wo die Gruppe noch kurz vorher war. Dort können wir alleine sein, ganz sicher ist er sich dabei. Der Brandraum muss das sein, fast alles ist hier kohleschwarz. Nur ein paar Akten sind nur halb verkohlt.
Allein will ich kurz gar nicht sein. Sondern einen, der arabisch spricht.
Der Weg zurück ins Haus macht klar, was wir schon längst befürchtet haben: die Studenten sind noch immer da. Und andere auch, als Paar, allein. Ständig kommt ein andrer durch den Flur, Lachen hallt in kalter Luft. Wir wandern trotzdem durch den Ort, stehen lang im zweiten Stock. Die große Terrasse lädt zum Bleiben ein. Kurz stellen wir uns vor, dass sie nur uns gehört. Hier der Grill, dort der Tisch. Und ganz viel Ruhe bei dem Blick ins Grün. Zurück im Flur kriegen wir davon nicht viel. Der eine knipst nur ein Motiv, hundert Mal und noch viel mehr. Die andere quetscht sich in das ausgeräumte Bad, das nur noch blaue Fliesen hat.
Wir aber gehen mit dem letzten Sonnenstrahl hinaus. Fast eilig werfen noch einen Blick zurück.
Wir könnten es kaufen, phantasiert mein Freund, dann hätten wir’s für uns allein.
Wenn du den Wachschutz übernimmst, sage ich, nehm’ ich das Zimmer oben rechts.